Gedankentagebuch

Gedankentagebuch #51 – Alltagsmüde?!

“Ich bin Alltagsmüde”, schrieb ich gestern in die Storys von Instagram und das liegt sicherlich daran, dass ich aktuell einfach mal wieder nicht so richtig weiß, wo mir der Kopf steht. Gleichzeitig merke ich immer wieder, dass die Tage dennoch ok sind. Es ist in diesen Fällen wohl maulen auf hohem Niveau und manchmal bin ich einfach so müde. Das ist nicht ungewöhnlich zu dieser Jahreszeit. Es ist wohl vordergründig der volle Kalender und die tägliche Angst, dass das Krankenlager bei uns nun wieder losgehen kann, die mich “Alltagsmüde” machen. Aber noch ist nicht so viel passiert, wie befürchtet. Warum also heute dennoch ein Gedankentagebuch Eintrag?

Es sind meine Emotionen, die mich heute überrennen…

Ich weiß nicht, ob ihr es in den letzten Tagen auch verfolgt habt und normal bin ich nicht so, dass ich mit meinen Blicken an den reißerischen Schlagzeilen im Social Media hängen bleibe, weil genau das einfach viel zu gefährlich ist (so viele Unwahrheiten und immer mehr KI produzierte Geschichten, wie die mit der Trainerin, die von einem Killerhai bei einer Vorführung angegriffen wurde… vielleicht habt ihr ja auch das mitbekommen). Schon immer handhabe ich das ja so, dass ich von einer gezielten Quelle mir die aktuellen Tagesgeschehnisse hole und gut ist.

Aber da tauchte dieses Bild erst in einem, dann in mehreren Status von Bekannten auf. Ein kleiner 8 jähriger Junge, der vermisst wird. Im ersten Moment kam er mir sogar bekannt vor und ich dachte, er wäre aus einem anderen Team aus unserem Verein. Vielleicht war das der Knackpunkt, warum ich eben doch mehr und mehr Meldungen verfolgte. Er war es übrigens nicht. Der Junge kommt aus einer anderen Stadt, aber irgendwie ging mir die Geschichte extrem nahe und ich hoffte jeden Tag, dass eine positive Meldung kommen würde. Dass der Junge gefunden wurde. Mein Kind ist auch nur 1 1/2 Jahre älter. Das ist alles wieder viel zu greifbar für mich.

Und dann las ich heute früh die traurige Nachricht und merkte, wie nahe mir das eigentlich ging. Seitdem sitze ich hier und versuche meine Gefühle einzuordnen. Wie schrecklich ist das alles nur. So viel Schreckliches passiert da draußen und ich muss mir eingestehen, dass ich mich jetzt nicht auf irgendwelche Projekte oder so fokussieren kann und will.

Stattdessen kommt es irgendwie nur noch wie ein weiterer Tropfen oben drauf…

… und deshalb erlaube ich mir jetzt einen Moment lang diesen Zustand. Diesen Zustand der Fassungslosigkeit, diesen Zustand der Traurigkeit und versuche die Angst von mir fern zu halten, dass es Menschen da draußen gibt, die unseren Kindern schaden können.

Das muss ich vorsichtig wieder von mir abschütteln und dennoch es nicht vergessen. Es ist ein wenig wie mit dem Film “Prisoners” mit Hugh Jackman und Jake Gyllenhaal. Keine Ahnung, ob ihr ihn kennt, aber auch hier verschwinden zwei Kinder und wir lernen die verschiedenen Perspektiven kennen, die hier nun mit reinspielen. Einer der wenigen Filme in meinem Leben, die mich so massiv gefesselt und nachhaltig geprägt haben und die mich noch heute immer wieder zum Nachdenken bringen. Selten habe ich über 2 Stunden so angespannt vor dem Fernseher gesessen, wie bei diesem Film. Und es wird sicherlich auch mit daran gelegen haben, dass wir eben selber Kinder haben.

Kinder zu haben ist das Größte und das Beängstigendste zugleich 

Die ersten grauen Haare bekam ich schon bei der schweren Entscheidung des Namens damals *lach*. Ich weiß nicht, ob es euch genauso ging, als es darum ging für das eigene Kind einen Namen zu wählen, den es nun ein Leben lang tragen würde. Ab da wurde mir eigentlich erst so richtig bewusst, was für eine Verantwortung wir nun in Zukunft tragen würden und das mit dem Namen ist dabei ja fast noch die banalste Entscheidung von allen. Von da an mussten wir nur noch Entscheidungen treffen. Bis heute… und heute habe ich bald einen erwachsenen Jungen neben mir stehen… kein Junge mehr, schon jetzt mehr Mann als Junge und die Entscheidungen werden nicht weniger und jede von ihnen ist nicht unwichtig, sondern unendlich schwer und meist auch mit Folgeentscheidungen verbunden.

Man schaltet mit Kindern ein neues Level mit neuen Herausforderungen, Hürden und vor allem auch Ängsten frei. Wer hätte das gedacht.

Neulich kam eine Mutter mit Baby zu Besuch

Beim Training der Kinder schaute sie vorbei. Einer aus dem Team vom kleinen Sohn war vor kurzem großer Bruder geworden und nun kam die Mama mit dem Baby vorbei, um ein wenig frische Luft zu tanken und zuzuschauen. Und hach… Babys sind so toll. Sie sind so niedlich und unschuldig, so zart und besonders… es ist so schön, wenn man Babys in seinem Leben hat. 

Und als ich da so stand und dieses kleine Wesen betrachtete, da wurde mir erst einmal wieder bewusst, wie lange das bei unseren Kindern schon wieder her ist und wie kurz tatsächlich diese Babyphase ist. “Genieße es, so lange du kannst”, sagte man uns damals und ich verstand den Satz nicht so ganz… Ich litt unter Schlafmangel, hatte es mit stinkenden Windeln zu tun, Menschen, die alles besser wussten als wir, Unsicherheiten und einem Schreien, das immer zugeordnet werden musste. Bis die nächste Phase eintrat.  Und dann war das Baby auf einmal weg und ein niedliches kleines (freches) Wesen krabbelte durch die Gegend, zog sich überall hoch und stiftete Chaos. Eine neue Phase hatte begonnen und zack, war mir auf einmal klar: Die Baby-Phase ist vorbei. Wie kurz die Kinder tatsächlich Babys sind, das wurde mir aber erst deutlich später bewusst. Erst dann, als ich es mit großen Kindern zu tun bekam und man eben doch anfängt ein wenig nostalgisch durchaus auch eben dieser Baby Zeit nachzutrauern. Seltsam, oder?

Nun steht das eine Kind kurz vor dem Abitur

“Er ist ja schon 10. Klasse”, sagte ich neulich zu einer Bekannten, die sich nach meinem großen Sohn erkundigte und musste kurz schlucken. Was nämlich viel erschreckender ist: Mein Sohn ist in dem Alter, in dem ich war, als ich meinen heutigen Mann kennenlernte. Ich erwähnte das neulich erst im Zusammenhang mit dem Hochzeitstag. Damit muss ich mir auch selber erst einmal bewusst machen, wie viel Zeit bei mir seitdem eigentlich vergangen ist und wie lange der Mann und ich nun eigentlich schon zusammen sind. Erstaunlich, oder?

“Ist das dein großer Sohn”, fragte mich eine andere Mutter beim Fußball und deutete auf den großen Sohn, der sich für sein Training warm machte und ein wenig wie eine männliche Kopie von mir aussieht. Wobei das so auch nicht mehr stimmt. Nimmt man unsere Babyfotos, könnte man fast meinen, dass wir ein und das selbe Kind wären. Wobei er etwas andere Züge natürlich hatte als ich und dennoch ein Stück Papa ja doch auch in ihm steckt. Aber die Ähnlichkeit von uns beiden ist definitiv nicht von der Hand zu weisen. Wenn man mal davon absieht, dass dieser Junge nun inzwischen 15 cm größer ist als ich. Oh man… (der kleine Sohn hingegen sieht aus wie eine Miniversion seines Papas übrigens). Wenn ich also inzwischen vom großen Sohn spreche, dann ist das nicht mehr nur noch eine altersbedingte Aussage, sondern auch tatsächlich mit Bezug auf die Größe… Noch ein oder zwei Zentimeter und er ist auch größer, als der Mann. Da hat er einfach Glück mit den Genen gehabt und die seiner Großväter abbekommen statt unserer *lach*.

Und ich merke, so langsam werden meine Gedanken wieder leichter…

… und deshalb ist es manchmal so wichtig für mich dieses Gedankentagebuch zuzulassen, den Kopf ein wenig leer zu schreiben und mich von Emotionen vorsichtig zu lösen. Von der leichten Schockstarre und Trauer bin ich nun übergegangen in ein Gefühl von familiärer Wehmut und Nostalgie. Zwar noch nicht wieder total fröhlich, aber doch mit einem wärmeren Gefühl im Herzen und den Kopf voll schöner Erinnerungen mit Menschen, die mir wichtig sind…

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6 Kommentare

  1. Zum Thema Muttersein kann ich natürlich nichts beitragen und das mit dem Kind habe ich auch nicht mitbekommen (ich höre eigentlich nur Nachrichten im Radio, ab und an zufällig im TV und social Media nutze ich nicht). Allerdings kann ich irgendwie dennoch mitfühlen, Parallelen ziehen usw. Bei deinem ersten, allgemeinen Abschnitt sowieso.
    Ich hoffe, die beginnende Leichtigkeit ums Herz breitet sich weiter aus…

    1. Sari says:

      Klar, es hilft zu erinnern und sich schöne Dinge ins Gedächtnis zu rufen und dabei aber dennoch respektvoll zu bleiben.

  2. Sehr schön geschrieben, auch wenn einiges traurig und nachdenklich macht.

    1. Sari says:

      Das gehört leider dazu und manchmal muss man solchen Gedanken Luft machen, damit sie einen nicht zerfressen.

  3. Ach, ich kann so mitfühlen mit dem, was du schreibst. Aber du hast einen schönen Weg aus Schock und Trauer herausgefunden. Mir tut das Schreiben auch immer gut, ob über das, was mich beschäftigt oder über andere Dinge. Es hilft tatsächlich Platz im Kopf zu schaffen für andere Gedanken.
    Liebe Grüße
    Kerstin

  4. Das tut mir leid, dass du so schwere Gedanken im Kopf hattest. Manchmal kann man sich dagegen nicht wehren. Ich habe die Geschichte des Jungen nur am Rande verfolgt und bewusst nicht tiefer Artikel gelesen, weil ich vom Ausgang mitbekommen hatte. Dann schaue ich lieber noch einmal “Prisoners” und kann mir wenigstens einreden, dass es nur eine fiktive Geschichte ist. Tatsächlich habe ich den Film aber auch nur einmal gesehen, weil er mir sehr nahe ging (auch wenn ich ihn beeindruckend und stark fand).

    Es ist wirklich so wie du schreibst: Kinder haben ist das Größe und das Beängstigendste. Gerade jetzt, wenn sie nicht mehr vor allem schützen kann. Wenn das Zappelinchen z.B. mit ihren Freundinnen durch die große Stadt zieht und ich genau weiß wie ekelhaft Jugendliche oder generell Männer sein können. Das mag ich mir gar nicht ausmalen.

    Die Babyzeit (oder jede Phase, auch Kleinkind usw.) geht wirklich viel zu schnell vorbei. Schon komisch, dass man vieles davon erst im Nachhinein zu schätzen weiß. Wie gerne würde ich jetzt noch einmal in jede dieser Phasen für einen Tag reinschnuppern. Damals war es halt Alltag und alles ist im Strudel untergegangen.

    Schön, dass deine Gedanken nun leichter sind.

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