Manchmal ist es gar nicht so einfach ein großer Bruder zu sein, eine große Schwester zu sein, einfach zu sein, oder? Immer wieder durchleben wir diese Phasen. Gleich von Anfang an. Immer wieder heißt es: “Es ist nur eine Phase”. Damit wird uns frisch gebackenen Eltern zum Beispiel alles erklärt, was uns und unsere Kinder aus der Bahn werfen kann. Das Baby weint viel. Es ist nur eine Phase. Es beißt auf dem Ärmel herum. Es ist nur eine Phase. Es hat ständig schlechte Laune. es ist nur eine Phase…
Euch brauche ich das sicherlich nicht erzählen. Ihr kennt das nur allzu gut und ich wette jeder von euch hat schon einmal diese Phrase gehört: Es ist nur eine Phase. Und soll ich euch etwas sagen? Es stimmt oft sogar. Leider merkt man meist erst, dass man sich mittendrin in so einer befand, wenn es schon fast zu spät ist und wir bereits in die nächste reinrutschen. Diese Zeiten dazwischen, wo alles wieder ruhig ist und fast normal anfühlt, die sind nämlich genauso schnell wieder vorbei und husch… Willkommen in der nächsten Phase.
Diese Phasen gibt es in allen Lebensabschnitten…
… nicht nur bei Kindern. Auch bei uns Erwachsenen. Ich selbst befinde mich zum Beispiel gerade mal wieder in einer dieser Phasen, wo alles sich so unglaublich schwer anfühlt, ich kaum oder schlecht schlafe und wenn ich schlafe ich irgendwie nur seltsame und anstrengende Träume habe. Meine Befindlichkeiten fühlen sich unendlich größer und schwieriger an, als in anderen Zeiten. Rückblickend kann man aber sagen, dass ich in diesem Chaos meistens um diese Jahreszeit herum drin stecke. Meist hängt es wohl mit dem Ende des Winters zusammen, einer langen und dunklen Jahreszeit, die zu Beginn schön und leuchtend, am Ende aber einfach nur noch nass, kalt, dunkel und anstrengend ist. Die Phasen eines Jahres quasi.
Das Gute daran? In der Regel weiß man, sobald man erkennt, dass man sich in einer befindet, dass sie auch wieder ein Ende finden wird.
Bei den Kindern verhält es sich ähnlich
Nur dass sie sich in mancher Hinsicht noch ganz am Anfang befinden und so einiges noch vor ihnen liegt. Bei unseren beiden Jungs hier zu Hause stelle ich gerade wieder fest, dass sie sich mitten in einer neuen Phase befinden, die ihre Beziehung zueinander neu definiert.
Was meine Ich damit? Manch einer weiß sicherlich, dass zwischen dem großen und den kleinen Sohn knapp 5 Jahre liegen. Ja, wir haben das ständig umworbenen und empfohlenen Abstandsalter von 2-3 Jahren überschritten. Aber einfach deshalb, weil wir nie groß geplant und das Schicksal haben entscheiden lassen und damit sind wir sehr glücklich. Es war damals der richtige Zeitpunkt. Alle waren bereit dafür und wünschten sich, dass unsere Familie um ein Mitglied reicher werden sollte. Vor allem der große Sohn und das war das, was mit die größte Rolle spielte.
Bis heute liebt und vergöttert der große Sohn seinen kleinen Bruder und ist überglücklich, dass dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist. “Ein Bruder wäre toll”, sagte er damals, “dann kann ich mit dem immer Fußball spielen”. Wie das alles ausgegangen ist, das brauche ich euch ja nicht zu erzählen. Ihr seht ja, aus was unsere Freizeitgestaltung hier überwiegend besteht.
Mit 5 Jahren Unterschied gibt es verschiedene Abschnitte
Als der kleine Sohn auf die Welt kam, da war der große Sohn einfach nur stolz. Er war nun ein großer Bruder und liebte es immer wieder bei dem Heldenkind zu liegen, ihn zu motivieren und mit ihm zu kuscheln. Viel zusammen machen konnten sie aber nicht.
Das änderte sich, als der kleine Sohn anfing zu laufen. Hier kam der Fußball dann langsam ins Spiel. Aber richtig schön wurde es, als der kleine Sohn ins Spielalter kam. Der große Sohn war gerade so noch drin in dieser Zeit, wo Lego, Playmobil und Co interessant waren und der kleine kam gerade rein. Diese Phase dauerte so zwei Jahre an, wo sie intensiv gemeinsam Welten im großen Kinderzimmer aufbauten und teilweise bespielten. Meist war das Gestalten dieser Welten viel interessanter, als am Ende damit auch zu spielen.
Wehmütig schaut man als Eltern zu, wenn die Kinder immer älter, größer und reifer werden. Ein Prozess, der sich nicht aufhalten lässt und auch niemals sollte. Immer öfter zog es den großen Sohn in sein eigenes Zimmer. Dabei waren sie es, die sich viele Jahre auf eigenen Wunsch ein Zimmer teilen wollten. Nach und nach genoss der große Sohn aber eben auch Zeiten für sich. Er war nun ein Schulkind, hatte neue Freunde, andere Interessen. Auch wenn er seinen kleinen Bruder oft noch mit einbezog und bis zum letzten Jahr fand man sie noch immer häufig mit dem geliebten Fußballkoffer im Zimmer vor, wo sie mit Tabellen und Turnierplänen ganze Turniere nachspielten. Auch auf Konsolen gibt es Gemeinsamkeiten. Sie entdecken zusammen die Welt von Minecraft und Fifa. Es gibt diese Parallelen noch immer.
Aber mit der Zeit werden 5 Jahren eben doch spürbar
Nun haben wir ein Kind auf der Oberschule. In der 7. Klasse ist es einfach anders. Andere Dinge werden interessant. Dafür vieles von früher immer uninteressanter und der kleine Sohn steckt gerade in dieser Phase, wo er spüren muss, dass sein großer Bruder nun immer weniger Kind und immer mehr Teenager ist und ihn immer häufiger auch einfach mal aus seinem Zimmer rausschickt, weil er Zeit für sich möchte. Das ist normal und auch richtig so, aber natürlich für einen kleinen Bruder nicht immer gleich nachvollziehbar. Er selber ist noch viel Kind, spielt noch immer gerne mit seinen Klemmbausteinen, Autos und Figuren. Nur eben nicht mehr mit dem großen Bruder. Der empfindet dabei nicht mehr so viel Freude.
Wir befinden uns also gerade wieder in so einer Phase. Diese Phase, in der sich der große Sohn gerade neu findet und irgendwie kein Kind mehr ist und der kleine Sohn aber noch ganz viel Kind ist.
Ich weiß genau, dass sich diese Phasen auch wieder ändern werden
Ich sehe es an meiner Schwester und mir. Wir liegen sogar knapp 10 Jahre auseinander und da war es noch schwieriger. Ich war schon immer weniger Spielfreundin für sie als eher die Person, die mit Verantwortung für sie übernommen hat. Ich fuhr mit ihr zu ihrem Tanzunterricht oder brachte sie zu Freunden. Ich nahm sie mit zu Feiern und all das. Während sie anfing mit Spielzeug zu spielen, war ich schon mitten drin in der Pubertät und hatte ganz andere Sorgen. Aber mit der Zeit verschwimmen diese Grenzen des Alters und sie werden immer nebensächlicher.
Irgendwann sitzt man auf einmal mit am Tisch der großen und redet mit, anstatt heimlich unter dem Tisch Karten zu spielen und zu hoffen, dass man endlich aufstehen und irgendwo hin verschwinden kann, um mit seinen Sachen zu spielen.
Irgendwann ist es egal, dass da Generationen am Tisch sitzen und man feiert bei den 10 Jahre jüngeren Freunden der Schwester genauso mit, wie die Schwester bei den 10 Jahre älteren.
Und wer weiß, irgendwann muss der kleine Sohn kein Verständnis mehr für den großen Bruder aufbringen, der sich nun gerade selber finden muss und seine Auszeiten braucht. Irgendwann ist er wieder mehr mittendrin als nur dabei und auch bei ihnen verschwimmen die Grenzen wieder mehr.
Die Hauptsache und das Wichtigste bei all dem ist doch, dass sie immer füreinander da sind und aufeinander aufpassen und sich nie aus den Augen verlieren, nicht wahr? Und da mache ich mir eigentlich keine Sorgen…