[Mmi] Wer möchte ich eigentlich sein? – Gedanken – Wirrwarr am Morgen

Manchmal stehe ich morgens vor dem Spiegel, betrachte mich genau und stelle mir die Frage “Wer möchte ich eigentlich sein”.

Als Kind, da wollte ich eine Prima Ballerina sein. Eine Tänzerin. Auf roten Spitzenschuhen. Als Teenager konnte ich mir nichts Cooleres vorstellen, als in einem CD-Geschäft zu arbeiten. Den ganzen Tag lang nichts anderes tun als Musik hören und zwischendurch ein paar CDs an den Mann bringen. Das perfekte Leben. Als junge Erwachsene wünschte ich mir nichts anderes, als in einem kreativen Beruf zu arbeiten. Grafik Design oder Kinderbuch – Illustratorin. Das wäre schön.

Aber das sind nur Dinge, die einen durch den Tag bringen. Die man machen muss, um Geld zu verdienen und wem es gelingt genau das als Beruf auszuüben, von dem er immer geträumt hat, der hat wohl großes Glück. In den seltensten Fällen landet man wohl genau dort, wo man immer hin wollte.

Aber wenn ich morgens vor dem Spiegel stehe, dann dreht sich die Frage nicht ausschließlich darum. Manchmal frage ich mich einfach: Wer bin ich?

mein Gesicht

Ich blicke in mein Gesicht und sehe eine Mutter

Ich sehe die Sorgen – und die Lachfalten. Ich sehe die kleine Rauchwolke über meinem Kopf, die versucht die Woche zu planen, während ich mir die Haare käme und das Heldenkind sich versucht an meinem Bein hochzuziehen.

Ich denke über Verabredungen und Termine nach, über das Mittagessen und die Sorgen, die meine Kinder mir zuletzt mitgeteilt haben. Ich denke über Kita-Ausflüge und Veranstaltungen nach, Adventskalender und Weihnachtsgeschenke. Familien-Events und wie sich alles am besten unter einen Hut bringen lässt.

Ich blicke in mein Gesicht und sehe eine Erzieherin

Ich komme nicht aus meiner Haut. Statt Illustratorin wurde ich halt Erzieherin. Erst fremder, dann meiner eigenen Kinder und schließlich ein bisschen auch wieder fremder Kinder. Früher auf Arbeit, heute zu Hause und nebenbei auch noch im Fußballverein des Minihelden. Nur dass es sich dort eben nicht Erzieherin, sondern Betreuerin nennt.

Ich sehe die Rauchwolke über meinem Kopf, die versucht Aktivitäten und Abläufe zu planen. Eine Weihnachtsfeier für den Fußballverein, eine neue Maßnahme, um die aktuelle Rebellion des Minihelden zu unterbinden, Bastelarbeiten und Weihnachtsgeschenke, die wir den Omas basteln könnten. Ich denke über Taschengeld, Motivationssprüche und Dinge nach, mit denen man die Gruppendynamik fördern könnte.

Ich blicke in mein Gesicht und sehe eine Künstlerin

Das wäre ich gerne. Eine Künstlerin. Ich versuche mich immer wieder neu zu erfinden und lande dann am Ende doch wieder mehr und mehr beim alten Stil mit leichten Abwandlungen. Ich möchte gerne frei und ungebunden sein, mehr als nur eine Technik beherrschen, aber es fällt mir schwer. Ich möchte den Kopf frei bekommen.

Aber ich sehe eine Rauchwolke über meinem Kopf. Sie denkt über neue Ausmalbilder und Logos nach, Flyer und Weihnachtskarten. Ich denke über kleine Geschichten nach, die ich gerne erzählen und mit Bildern untermalen möchte. Ich denke über Bilder nach, die ich zusammen mit Freunden zeichnen möchte und Illustrationen, die mir schon ewig durch den Kopf geistern. Und ich denke an die Zeit, die mir fehlt, um all das umzusetzen.

Ich blicke in mein Gesicht und sehe eine Ehefrau

Ich denke an meinen Mann, den Helden. Der so viel zu tun hat. Arbeiten gehen, die Probleme mit dem Auto lösen. Im Fußballverein voll mit involviert sein. Wocheneinkäufe und eine Familie, die ständig etwas von ihm will. Ich denke daran, wie er abends auf dem Sofa sitzt und die Ruhe genießt.

Ich sehe die Rauchwolke über meinem Kopf, die darüber nachdenkt, wie sie ihren Ehemann glücklich machen kann. Was ich tun kann, um ihn zum Lachen zu bringen und ihm jeden Tag aufs Neue zu zeigen, dass er ein toller Ehemann und Vater ist. Dass wir ihn lieben und dankbar sind für all das, was er für uns immer wieder tut. Für die Stunden, in denen er uns in den Arm nimmt und tröstet, für uns da ist, stark ist und uns unsere Wünsche von den Augen abliest.

Ich blicke in mein Gesicht und sehe Enkeltochter, Schwiegertochter, Freundin, Bekannte, Fremde

Ich denke über all die Menschen in meinem Umfeld nach und darüber, was ich für sie bin. Was sie in mir sehen könnten und ob es sich mit dem deckt, was ich in mir sehen. Einen Tag so und einen anderen Tag ganz anders. Sehen sie in mir die Mutter eines Kindes, eine Freundin oder gar eine Bekannte? Sehen sie in mir die Frau, die ihren Kindern die Klamotten näht, ihre Profilbilder selber malt und irgendwie immer zu Hause ist? Oder sehen sie in mir etwas vollkommen anderes?

Ich sehe die Rauchwolke über meinem Kopf, die unablässig versucht herauszufinden, wie ich in den Augen anderer aussehe und wirke. Was man von mir denken und halten könnte. Ich kontrolliere mich ständig selber. War das jetzt ok, was ich getan oder gesagt habe? War das jetzt albern oder komisch? War das angebracht? Ständige Selbstkontrolle ohne zu wissen, ob sie tatsächlich nötig ist.

Ich sehe in den Spiegel und entdecke von allem ein bisschen

Ich sehe Mutter, Erzieherin, Ehefrau, Künstlerin, Freundin, Bekannte und Fremde. Von allem ein kleines bisschen. Eine bunte Mischung aus dem, was mich wohl in den einzelnen Aspekten ausmacht und denke es ist ok so.

Ich sehe nicht nur eine Rauchwolke über meinem Kopf, sondern viele. In vielen verschiedenen Farben. Fast schon wie ein Regenbogen, der ein Abbild meiner vielen Facetten darstellt und mich wie eine strahlende Aura umgibt. Ich sehe das Lächeln des Helden, wenn ich ihn angrinse, das Strahlen meiner Kinder, wenn ich den Raum betrete, die Begeisterung meiner Freunde, wenn ich ihnen zeige, was ich Neues kreiert habe, den Stolz meiner Familie für das, was ich im Leben geschafft habe und das Interesse an meiner Person von Menschen, die bis in meinen Wolkenregenbogen vorgedrungen sind und mich besser kennen lernen wollen.

Ich sehe, dass ich etwas geworden bin und ich denke, es ist ganz gut geraten, oder? Mit allen hellen und dunklen Seiten, die zu einem Leben dazu gehören.

Ich bin vielleicht keine Prima Ballerina, keine CD Verkäuferin und auch keine Grafikerin geworden, aber ich lebe die Idealvorstellung, die mich durch meine gesamte Kindheit begleitet hat. Ich bin Ehefrau, Mutter und Freundin. Wir haben das gemütliche zu Hause, sind alle gesund und uns geht es gut. Und damit ist am Ende genau das heraus gekommen, was ich wohl immer wollte…

sari-unter

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4 Kommentare

  1. Ein ganz wundervoller Text !

    1. Sarah Kroschel says:

      Das ist lieb, ich danke Dir

  2. Ein sehr schöner, facettenreicher Beitrag, in dem ich mich an mancher Stelle wiederfinde! Wieviele Herzen schlagen dich in uns, oder? Viele Herzen, viele Ideen, viele Interessen, von denen man aber irgendwie keine so hundertprozentig verwirklichen kann. Eine Hürde? Nein, eher eine Bereicherung! Viele Grüße! Claudia

    1. Sarah Kroschel says:

      Vielleicht auch eine Herausforderung für das tägliche Leben. So wird einem nie langweilig ;)

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