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Gedankentagebuch #01 – Glückstagebuch, die Welt, “Test-to-stay”…

[Keine Abendseiten. Keine Morgenseiten. Ich habe mir ein paar Tage lang Gedanken darüber gemacht, ob ich die Zeit und die Energie für so etwas aufbringen kann und kam zu dem Entschluss: Das klappt nicht. Man muss ja auch mal ehrlich zu sich sein, nicht wahr? Sich eingestehen, was realistisch umsetzbar ist und was nicht. Und wenn ich meinen Tag und meine Gefühle ganz genau betrachte, dann habe ich am Morgen keine Energie, um früher aufzustehen und Morgenseiten zu schreiben und Abends nicht den Kopf frei genug, um mich von allem etwas wegzuziehen und mir 10 Minuten für ein paar zusammenfassende Gedanken zu nehmen.

Als ich nun den Laptop aufklappte um ein paar Mails zu checken, ein paar News zu lesen bekam (mir dabei schon wieder ganz schlecht wird) und dann auf dem Blog mit einer neuen Rezension loslegen wollte, da kam mir eine Idee. Die Idee für das Gedankentagebuch. Eigentlich überlegte ich, ob ich euch davon erzählen wollte, dass wir nun wieder Glückstagebuch führen und dachte mir, warum nicht auch gleich ein Gedankentagebuch? Ich habe das ja öfter, dass mir so viele Dinge durch den Kopf schwirren, die nicht umfangreich genug für einen Beitrag wären, aber irgendwie doch raus aus dem Kopf wollen. Also versuche ich es mal hiermit. Immer wenn sich genug angestaut hat, wird es Zeit für einen Gedankentagebuch-Beitrag und heute mache ich den Anfang damit. Ich glaube, dass es in den aktuellen Zeiten sicherlich sehr befreiend sein kann einfach mal von der Seele weg zu schreiben…]

Gedankentagebuch #01 – 10.02.2022

Ich sitze am Esstisch. Das Frühstückt liegt gerade hinter mir. Ich habe vom Schulweg Brötchen mitgebracht. Drei Stück. Der Mann sitzt nämlich noch immer im Homeoffice und heute ist auch der kleine Sohn zu Hause. Er hat sich einen “Ferientag” gewünscht. Letzte Woche war er nämlich jeden Tag trotz Ferien in der Kita. Diese Ferien, die irgendwie überhaupt nicht erholsam waren. Aber er wollte gerne dorthin. Ein Praktikant war da, den er wirklich gerne mochte und der nur in den Ferien kommt. Er ist groß, superlieb und spielt Fußball. Genau wie der kleine Sohn. Also wollte er in die Kita – trotz Ferien und ich war froh, dass er das mit so viel Begeisterung macht. Er hat viele Freunde dort, irgendwie immer Spaß und ist einfach gerne da. Das nimmt einem immer schon viele Sorgen ab. 

Heute hat der kleine Sohn also “Ferien” und sitzt noch immer im Schlafanzug im Wohnzimmer am Boden, während die Katzen neugierig um ihn herum laufen. Nein eigentlich nur eine, denn die andere hat sich wieder direkt unter der Heizung in ihr Kuschelbett verzogen und genießt die Wärme. Da wäre ich jetzt auch gerne. Gefühlt wird einem seit Wochen nämlich nicht mehr so richtig warm. Mir auf jeden Fall nicht. Ich könnte mich jeden Tag ewig unter die heiße Dusche stellen, aber die getankte Wärme ist ratzfatz wieder weg. Das Wetter da draußen macht müde und lässt einen frieren und dabei haben wir nicht mal Minusgrade. Es ist dieser Wind gepaart mit dem Regen, so dass sich alles einfach nur eisig anfühlt. “Das macht so keinen Spaß”, sagen alle, mit denen ich spreche. Wir alle sehnen die Sonne herbei. Dringend! Denn das trübe Wetter stellt schon wieder eine Menge mit unseren Köpfen an und darauf könnten wir gut und gerne verzichten. Als ob das alles nicht schon anstrengend genug wäre. Letztes Jahr hatten wir wenigstens diese befreiende Woche voller Schneepracht. Das war letztes Jahr wirklich wie eine Erlösung, eine Befreiung von all der Anspannung. Gut, lässt sich nicht ändern, also weiter im Text.

Wir führen nun wieder Glückstagebuch

Seit gestern haben wir nun das Glückstagebuch reaktiviert. Das habe ich mit dem großen Sohn schon öfter gemacht. Auf diese Methode kamen wir mal eher durch Zufall, als einer Bestellung mal so ein kleines Heftchen beilag, wo man täglich schöne Dinge aufschreiben und den Tag mit Sternen bewerten sollte. Jeden Abend saß ich beim großen Sohn (der damals noch klein war) am Bett und bevor er sich schlafen legte, wurde alles aufgeschrieben, was ihn an dem Tag glücklich gemacht hatte. Am Anfang fiel ihm das noch sehr schwer, aber im Laufe der Zeit konnte er sich viel besser auf die schönen Dinge konzentrieren, auch wenn der Tag sich erst einmal blöd angefühlt hatte. So endete er dann doch immer mit einem wohlig warmen Gefühl anstatt Frust oder Ärger. 
Das Ganze gefiel ihm so gut, dass wir tatsächlich ein Notizbuch kauften und dort jeden Abend weitermachten, obwohl das Heftchen schon voll war.

Gedankentagebuch
Das Glückstagebuch vom Sohn vor einigen Jahren

Irgendwann brauchte er es nicht mehr, doch nun scheint die Zeit wieder gekommen zu sein und ich kann ihn verstehen, denn die Welt spielt verrückt. Total. Es sind so viele Dinge auf einmal, die sein sensibles Köpfchen da gerade verarbeiten müssen. Sensibel war er nämlich schon immer und hat sich über so viel mehr Dinge Gedanken gemacht als ich und beruhigen kann man ihn nur schwer. Die Gedanken dabei sind schwer und manchmal regelrecht erdrückend.

Die Welt spinnt. Seit zwei Jahren kämpfen wir nun gegen einen Virus und die Kraft ist aufgebraucht. Nicht nur bei uns Eltern, die immer versucht haben alles abzufangen, damit die Kinder so wenig wie möglich zu spüren bekommen. Im Gegenteil, sie bekommen nun die volle Wucht ab. Zwei Jahre Verzicht und als Belohnung infizieren sie sich nun alle nacheinander. Schon wieder sind zwei Kinder in seiner Klasse betroffen, aber wir testen die Kinder einfach täglich und sie bleiben so lange dort, bis auch ihr Test positiv ist. Das ist natürlich die ultimative Lösung, um die Infektionskette zu durchbrechen.

Wie soll man das alles verarbeiten?

Die Kinder bekommen es nun also entweder selber oder sie bekommen mit, wie es um sie herum wie Bomben einschlägt. Und damit nicht genug, sprechen sie in der Schule nun über einen Krieg, der sich anbahnt und der viel zu nah ist. Bomben der anderen Art. Menschen, die sich streiten und damit auch ihr Umfeld gefährden, denn das alles ist irgendwie näher an uns dran, als gedacht.

“Wir sind mittendrin”, sagte der Sohn besorgt vor ein paar Tagen zu mir und ich merke wieder, dass ich im Laufe der Jahre so etwas wie Verdrängung echt gut perfektioniert habe. Ich bin wirklich gut so etwas auszublenden und konzentriere mich vorrangig auf die Dinge, die mich jetzt und hier beschäftigen und auf Trab halten. Davon gibt es nämlich schon genug, findet ihr nicht? Hallo, Ihr da draußen!!! Merkt ihr nicht, dass die Welt schon genug am Rad dreht?

Also sitzen wir da, fangen neue Themen bei den Kindern ab, reden viel, versuchen gemeinsam viel zu verstehen und mal gelingt es besser, mal schlechter. Ich kann mich noch gut an eine Zeit erinnern, da saß ich abends mit einem Kumpel zusammen und wir wollten für eine PW Arbeit lernen. Wir mussten wirklich dringend lernen, denn die Note stand für uns beide ganz schön auf der Kippe. Aber anstatt uns all das (wirklich, wirklich langweilige) Zeug anzuschauen und zu verinnerlichen, lief der Fernseher. Unten rechts im Bildschirm war ein zusätzliches Bild eingeblendet, das eine Rakete zeigte. Kaum zu glauben, dass das nun auch schon fast 20 Jahre her ist. Wie gebannt schauten wir auf den Bildschirm, wo die Waffe jeden Moment abgeschossen werden konnte. Voller Sorgen und Ängste. Ich kann verstehen, dass es meinem Sohn nun Angst macht. Es ging uns ja nicht anders. Ewig haben wir auf den Bildschirm gestarrt, gar nicht darauf geachtet, was die Frau im Fernsehen erzählte und am Ende schliefen wir irgendwann ein. Die PW Arbeit am nächsten Tag setzte ich total in den Sand. Ich war zu aufgewühlt, müde und hatte schlichtweg nicht gelernt. Der Grund dafür war dem Lehrer auch reichlich egal, aber nun ja… was sollte er auch tun. 

Wir befinden uns in verrückten Zeiten…

Jeden Morgen stehe ich auf, schaue auf diesen seltsamen Lolli Test, den ich nun mit dem Kita-Kind mehrmals die Woche machen muss und bange, dass nur ein Strich gezeigt wird. Gleichzeitig kommt der große Sohn die Treppe runter und man merkt, dass seine Schritte in diesem langen Winter immer schwerer geworden sind. Die Luft ist raus, die Energie aufgebraucht, die Sorgen liegen schwer auf den Schultern. Sorgen wegen Fehlzeiten, Sorgen wegen Corona, Sorgen wegen Schule, Sorgen wegen der Welt da draußen, Sorgen um Familie und Freunde. Das alles hat so viel Gewicht. Wir können es ja kaum noch tragen, wie sollen meine Kinder das schaffen?

Und lasst uns doch mal über diese Lolli Tests sprechen. Diese Tests für die Kleinen, auf die wir nun so lange gewartet haben. “Die sehen aus wie Lollis und dann lutschen sie eine bisschen darauf rum und fertig”, erklärte mir eine Freundin mal vor Monaten. Mit den Lollis kommt dann auch die Testpflicht in Kitas. Es war ja schon ein Akt dieses Stäbchen in die winzige Nase meines Kindes zu bekommen. Ich hatte wirklich auf Erleichterung gehofft. Als mir die Erzieherin dann die ersten Lollitests in die Hand drückte, war ich überrascht. Ein Stäbchen, eine Kanüle mit Flüssigkeit und ein Test. Es sah alles aus wie immer. “Ja, ich weiß auch nicht”, sagte die Erzieherin, “aber du musst jetzt eine Minute lang die Wangen deines Kindes ausgiebig mit dem Stäbchen ausstreichen”. Ich bin ja schon froh, wenn mein Kind sich nicht übergibt, wenn ich ihm die Backenzähne nachputze… na toll. Und darauf haben wir jetzt so sehnsüchtig gewartet. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Ich weiß nicht, ob es euch da auch so geht. Drei Mal die Woche sollen wir testen, aber die Kita bekommt gerade mal so viel Tests, dass es für zwei Mal pro Kind reicht. Mal mehr mal weniger. Finde den Fehler. Ändern lässt es sich – mal wieder – nicht. Mein Kind möchte gerne in die Kita, als ziehen wir auch das durch.

Gedankentagebuch

Und da Klassen, in denen positive Fälle auftreten sich nach einem Fall immer jeden Tag in der Woche testen müssen, 5 Tage hintereinander, testet sich der Sohn nun auch täglich. Eine Pause gibt es nicht, denn nach wie vor hat er jede Woche mindestens einen positiven Fall in seiner Klasse. Diese Woche sogar zwei und das, wo sie frisch aus den Ferien kommen. Wechselunterricht sei Dank ist er dieses Mal aber nicht betroffen, denn die Kinder kommen aus der anderen Gruppe. Dieses Mal. Und wieder hoffen wir auf einen milden Verlauf und schicken liebe Genesungsgrüße raus. Auch das tun wir gefühlt aktuell jede Woche. Sei es Schule, Kita oder allgemein im Bekanntenkreis.

Aber hey, da kommt ein Sonnenstrahl raus…

Gerade wird es hell im Wohnzimmer. “Was ist das”, denke ich und schaue aus dem Fenster. Tatsächlich… da ist ein wenig Sonne, die sich einen Weg durch die graue Wolkendecke gebahnt hat. Viel zu selten passiert das, aber wenn es passiert, dann wird dieser Sonnenstrahl gefeiert und genossen. Es verändert sich sofort etwas tief in uns drin und das Herz wird ein bisschen leichter. Ich bekomme direkt besser Luft und neue Energie. Und das geht vielen so. 

Als es neulich mal einen zwar eisigen, aber sonnigen Freitag gab, merkte man direkt, wie sich die Stimmung bei den Kindern veränderte. Sie lachten viel mehr und konnten mit viel mehr Elan die Dinge angehen. Es hatte durchaus etwas Befreiendes. Bitte mehr davon. Ich bin mir ganz ganz sicher, dass mit dem Frühling und mehr Sonne auch die Dinge nicht mehr so schwer auf uns lasten. Dass alles wieder etwas leichter zu bewältigen wird und die Stimmung sich wieder hebt. 

Und damit schließe ich für heute das Gedankentagebuch. Bleibt gesund.

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